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Stress, Angst, Aggression - das Immunsystem leidet

Jedes Übermaß schwächt die Abwehr

Dr. Peter Kobosil

(zum besseren allgemeinen Verständnis siehe auch den Aufsatz „Psychosomatik")

Erst das massive Aufkommen der folgenschweren Immunschwäche-Krankheit Aids hat das Immun- oder Abwehrsystem unseres Körpers in den Blickpunkt der breiten Öffentlichkeit gerückt. Vorher wurde diesem grundlegend wichtigen Körpersystem nur wenig Beachtung geschenkt.

Das Immunsystem hat die Aufgabe, unseren Körper vor schädigenden Einflüssen zu schützen.

Es soll eindringende Bakterien, Pilze und Viren oder Giftstoffe, aber auch aus dem natürlichen Verband ausbrechende und aggressiv werdende Körperzellen unschädlich machen. Es ist ein sehr komplexes, durch viele Prozesse beeinflussbares und viele Faktoren enthaltendes Gefüge. Eine Reihe von Organen erfüllt hier wichtige Funktionen: Knochenmark und lymphatische Organe wie Lymphknoten, Milz, Thymusdrüse, Mandeln und Wurmfortsatz des Blinddarms sowie viele kleine Lymphorgane, vor allem in Darm und Atemwegen. Blut- und Lymphsystem sind die Träger und Transporteure der Immunfaktoren.

Unser Abwehrsystem ist fortwährend in Tätigkeit. Seinen Kampfgeist bemerken wir aber erst dann, wenn wir krank werden, wenn Entzündungen auftreten und Fieber das Kampfgeschehen aufheizt. Ein gesunder Abwehrmechanismus wird in der Regel den Krankheitserregern und Giften mit gezielter Stärke begegnen. Eine gestörte Abwehr hingegen kann die Schutzfunktion nur unzureichend wahrnehmen: Sie reagiert entweder übersteigert – Allergien sind Reaktionsformen eines überempfindlichen Immunsystems, oder sie die Abwehr ist zu schwach, um störenden Einflüssen gebührend begegnen zu können. Ganz allgemein steigt dann die Anfälligkeit gegenüber Krankheiten. Infektionen treten verstärkt auf und die Gefahr wächst, dass aus dem natürlichen Verband ausbrechende Körperzellen nicht mehr bezwungen werden können und im schlimmsten Fall zu Krebsgeschwüren heranwachsen.

Von Wissenschaft und Forschung wird heute dem Immunsystem eine vordringliche Bedeutung beigemessen. Unter anderen wichtigen Aspekten hat man festgestellt, dass nicht nur substantielle Einflüsse durch Nahrung oder Umwelt eine wesentliche Rolle spielen, sondern vor allem auch psychische Zustände. Speziell auf dem Weg über die Hormondrüsen und über das Nervensystem nehmen die seelischen Vorgänge erheblichen Einfluss auf das Immungeschehen.

Anhaltende Konflikte wirken zermürbend und zersetzend

Das Menschsein beinhaltet viele Schwächen und Auseinandersetzungen, durch die Verletzungen und Verwundungen entstehen. Unser Körper, die uns umgebende Naturwelt und auch unsere Seele haben aber die Kraft, vorübergehende Konflikte ohne größere Schäden zu überstehen. Die körperlichen Wunden und seelischen Erschütterungen können durch regulierende Grundenergien immer wieder ausheilen und der gesunde Zustand wieder hergestellt werden. In uns wirkt ein Arzt, ein Ordnungshüter, der bis zu einem gewissen Grad immer wieder imstande ist, die geschlagenen Wunden zu schließen. Kritisch wird es nur dann, wenn die Störungen lange Zeit anhalten – wenn Ängste, Depressionen, Trauer, Sinnlosigkeitsgefühle, innere Unruhe, Unzufriedenheit oder Verbitterung unbearbeitet stets weiterschwelen oder wenn die Aggression zu einem bleibenden Wesenszug wird.

Konflikte entstehen nur zum Teil durch Probleme, die von außen kommen. Ihnen können wir manchmal ausweichen und damit seelische Spannungen vermeiden. Schwieriger ist es mit Unzulänglichkeiten, die in uns selbst liegen. Unseren eigenen Charakterschwächen können wir nicht entkommen, sie folgen uns überall hin, wohin wir auch gehen und lösen immer wieder die genannten psychischen Zustände aus. Hier kann nur die Arbeit an uns selbst zum Erfolg führen, durch Überwinden dieser Schwächen und durch ein Zufriedener- und Froher-Werden im Erkennen und Ausleben der Sinninhalte unseres Lebens und durch ein Liebesfähiger-, Vergebungsfähiger- und Verständnisvoller-Werden - insgesamt durch ein geistiges und seelisches Stärker-Werden. Oft gehen wir einfach gedankenlos über unsere Schwächen hinweg, oft decken wir sie bewusst zu und sind zu tatkräftigen Initiativen, die unsere Lebensqualität verbessern könnten, zu bequem. Oft fragen wir nach dem Warum einer körperlichen oder seelischen Not und finden keine Antwort – weil wir nicht ehrlich zu uns selbst sein können.

„Unsere Natur" lässt sich aber auf Dauer nicht täuschen und vernachlässigen. Ergreifen wir die erforderlichen Initiativen nicht freiwillig, dann entstehen immer deutlichere Aufforderungen durch körperliche und seelische Nöte und Schmerzen – durch ein geschwächtes Immunsystem ist eine ganze Reihe von Folgen dieser Art möglich.

Allergisch reagiert nicht nur der Körper

Im Zunehmen begriffen sind Abwehrreaktionen, die Übererregungen signalisieren und die sich in den uns bekannten Allergien äußern – ein Gebiet, auf dem die Schulmedizin nach wie vor nur langsam weiter kommt. Umso mehr muss die Frage nach geistig-seelischen Ursachen gestellt werden.

Ohne Zweifel sind hier Grundhaltungen mitverantwortlich, die mit innerer entzündlicher Erregung, übermäßiger innerer Abwehr und ängstlichem Abstecken enger Grenzen einhergehen.

Aus Unsicherheit, Argwohn oder weil wir das Gefühl haben, von unserer Umwelt bedrängt zu werden, grenzen wir unseren eigenen Lebensraum übermäßig ab. Fremdeinflüsse weisen wir energisch zurück und entwickeln eine Abneigung, ja Ängstlichkeit gegenüber einer Vielzahl von Umweltgegebenheiten. Wir empfinden sie als lästig, schmutzig oder unmoralisch – wir reagieren dagegen allergisch. Wenn so eine innere Abwehr zu einer Grundhaltung wird, dann bleibt es nicht aus, dass auch das Immungeschehen zu einer ständigen Übererregung bereit wird. Je nach Wesensart der inneren Ablehnung reagiert der Körper auf Blütenpollen, Tierhaare, Staub oder auf viele andere Einflüsse – praktisch kann alles zur Gefahr für uns werden. Es entstehen Entzündungen und Schwellungen, verbunden mit Juckreiz und Brennen oder Atembeschwerden – jeder Allergiker kann ein Lied davon singen.

Sicher ist keiner von uns so stabil, dass er allen Umwelteinflüssen ohne Schwierigkeiten begegnen kann. Aber der Weg des Rückzugs in eine immer sterilere Atmosphäre ohne Konfrontation und Mobilmachung ist nicht zielführend. Auch die Methode der Desensibilisierung (Überempfindlichkeit vermindern) führt zu keinem wirklichen Erfolg, solang die Grundhaltung des Allergikers immer wieder den auslösenden Zündstoff nachliefert.

Hier gibt es nur eine einzige dauerhafte Lösung: Wir müssen daran arbeiten, die geistig-seelische Gesamtlage zu stärken. Nur so können wir kräftig und mutig genug sein, um uns ohne Schaden auch mit dem Unangenehmen befassen und uns mit feindlichen Einflüssen aussöhnen zu können, die es im Menschsein immer geben wird. Jede vernünftige Auseinandersetzung und Problemlösung macht uns erfahrener und reifer und trägt zum Wachsen unserer Persönlichkeit bei. Wie jede seelische Aktivität überträgt sich auch die innere Stärke regulierend und harmonisierend auf die körperlichen Funktionen, und hier vor allem auf das Immunsystem.

Jedes Übermaß schwächt die Abwehr

Von Überforderung durch anhaltende Konflikte haben wir schon gesprochen. Der allgemeine Stress in unserer schnelllebigen Zeit, der nur wenig Raum für die Besinnung auf Werte gibt, die sich unser Herz ersehnt, ist aber noch ein ganz wesentlicher Faktor, der zu einer tiefgründigen Unzufriedenheit führt und zur Beeinträchtigung des Immunsystems.

Stress ist schon beinahe zu einer ehrbaren Gewohnheit geworden, die zum Alltagsgeschehen dazugehört, aber wie die Erfahrung zeigt, ist dies keineswegs unproblematisch. Unsere Charakterschwächen überziehen oft das Maß, das uns wirklich froh, zufrieden und gesund erhalten würde. Ständige Belastungen können nicht zum Guten und Gesunden führen. Ein Übermaß ist nie gewinnbringend verarbeitbar, so dass wir dadurch nicht bereichert werden, sondern innerlich ermatten und verarmen und schließlich erkranken.

Ein durch Stress geschwächtes Immunsystem appelliert an unsere Vernunft, aus der Fülle der täglichen Angebote mit Herz und Vernunft nur das auszuwählen, was uns wirklich zu einem gesunden, ausgewogenen Leben verhelfen kann. Auch in der schnellen Zeit der Computer und Handys, der Kontaktnahme ohne persönliche Begegnung, braucht die Seele die direkte Berührung mit dem Lebendigen: Den hautnahen Austausch der Energien zwischen Mensch und Mensch als Seelennahrung durch herzliche, frohe und liebevolle Nähe - die unmittelbare emotionale Herausforderung, die der Seele Formung und Widerstandskraft verleiht. Und die Seele braucht die hautnahe, lebendige Ausstrahlung der schönen, bunten, kraftvollen und heilenden Natur, die wir mit einem offenen Herzen in uns hineinlassen und speichern können.

Beide Formen des gestörten Immunsystems, das übererregte wie das geschwächte, können zu überaus unangenehmen, lebensbehindernden, ja lebensbedrohenden Folgeerscheinungen führen. Es lohnt sich daher auf Fehlersuche zu gehen und dabei auch einen klaren Blick auf unser Innenleben zu werfen. Die Seele ist der Motor für alles Körperliche, und wenn in unserem Inneren entweder grundsätzliche Defizite oder eine nicht mehr verarbeitbare Fülle entstehen, wirkt sich das auch auf grundlegende körperliche Systeme und insbesondere auf das Immunsystem aus.

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